Archiv der Kategorie: Motivation

Menschen können sich ändern!

Auf diesen Blog habe ich lange gewartet, und ich hätte ihn gerne früher gemacht. Doch ich darf auf meinem Blog nicht ohne Einwilligung über andere Menschen schreiben. Mein Kollege Marc Disch hat sich letztens entschieden, seine Geschichte öffentlich zu machen. Auf mdisch.ch hat könnt ihr sie nachlesen. In einem Blogbeitrag hat er mir auch für meine Unterstützung gedankt. Leider verschweigt er Euch dabei so einiges, und das möchte ich nun in meinem Blog nachholen.

Marc kenne ich schon seit seinen Jugendjahren. Er hat mich immer für meinen Durchhaltewillen und den Sport bewundert. Doch bewundern heisst noch nicht, dass man automatisch den selben Weg einschlägt. Marc war damals definitiv einer, der den Weg des geringsten Widerstandes suchte, und darin war er wirklich Meister. Ich kannte seine Drogenprobleme (zumindest teilweise). Auch wenn ich immer mal wieder auf ihn einzuwirken versuchte, konnte ich ihn in den Jugendjahren nicht davon überzeugen seine Potentiale zu nutzen.

Marc zog aus dem Dorf weg, und wir verloren uns aus den Augen. Irgendwann sickerte es allerdings zu mir durch, dass es ihm nicht gut geht, und er ernsthafte Drogenprobleme hat. Marc beschreibt das auch auf seiner Seite sehr gut. Ich hingegen will hier über was ganz anderes schreiben.

2017 war ich auf der Suche nach einem Mitstreiter für mein Projekt. Ich hatte weder Geld noch sonst was zu bieten. Die Chance, jemanden zu finden, war also nicht so gross. Ich suchte eigentlich nur jemanden der mitmacht. Irgendwann traf ich Marc. Auf meine Frage, was er mache, antwortete er: „Arbeitslos.“

Ich stellte mich bereits schon auf mühselige Motivationsarbeit ein. Doch Marc meinte gleich: „Tönt interessant, bin dabei.“ Auch das hörte ich schon oft genug, und so war meine Hoffnung erst mal nicht allzu gross. Doch ich sollte schon bald eines Besseren belehrt werden.

Marc tritt aus der Komfortzone

Ich war überrascht, wie schnell Marc auf meine Mails antwortet. Teilweise kamen die Mails innerhalb zehn Minuten beantwortet zurück. Erschrocken bin ich allerdings als mich Marc nach einer Funkpause von einer Woche schon fast Vorwurfsvoll ansprach: „Hey was ist los! wir haben doch ein Projekt, wir sollten wieder mal daran arbeiten, sonst wird das nie was!“ So kannte ich ihn überhaupt nicht.

Doch Marc beliess es nicht bei mahnenden Worten. „Wenn der nicht macht, mach ich halt!“, sagte er sich wohl. Immer wieder agierte Marc proaktiv und brachte somit den Verein immer wieder voran. Er schreibt in seiner Geschichte, dass er heute nicht da wäre, wo er heute ist, wenn es Vefko nicht gäbe. Das mag sein, aber es würde auch den Verein Vefko nicht geben ohne den Einsatz von ihm.

Wenn Marc mich früher bewunderte, so bewundere ich ihn heute. Ich habe miterlebt, was der Entzug von ihm abverlangte. Ich hab selbst erlebt, wie sehr er kämpfte, und selbst wenn er tausend eigene Probleme hatte, hatte er immer noch ein Auge auf den Verein und deren Mitglieder.

Menschen können sich Ändern! Es braucht dazu den eigenen Willen und das richtige Umfeld. Wobei man sich zweites zu einem grossen Teil auch selbst aussucht. Das Vefko zu einem Platz wird, wo sich die Menschen ändern können, finde ich toll und macht mich auch ein wenig stolz.

Doch die Wahrheit ist auch, dass es ohne Marc nicht so weit gekommen wäre. Daher ein dickes DANKESCHÖN an Marc!

Ich bin an der Swiss Handicap Messe in Luzern

Dies ist kein richtiger Blog, sondern eher ein Announcement. Ich werde an der Swiss Handicap in Luzern sein. Dass ist eine Messe für Behinderte. Sie findet am 29. und 30 November 2019 auf dem Messegelände in Luzern statt.

Ich werde aller Wahrscheinlichkeit am Freitag Nachmittag anreisen, und dann auch an der Swiss Handicap Night anwesend sein. Falls ihr mich seht, könnt ihr mich gerne ansprechen.

Aber dieses Jahr bin ich nicht nur als Besucher anwesend. Ich bin auch Speaker. Mein Vortrag ist am
Samstag, 30. November 2019 um 15:00 Uhr.
Thema: Wenn Betroffene selbst die Initiative ergreifen.
Es geht dabei darum, wie de Vefko entstanden ist, und auch darum, wie wir arbeiten, und was das besondere an unserem Projekt ist.

Ich freue mich natürlich über Besucher

Vefko-Story – Die wahre Vision!

Als ich 2005 an Krebs erkrankte, wusste ich tief in meinem Inneren schon, das wird eine meiner geilsten Saisons, die ich im Sport erleben werde. Wie um alles in der Welt konnte ich nur so ein Gefühl haben?!? Ich meine, mit Krebs verbindet man vieles, aber garantiert nicht die Sportsaison deines Lebens! Ich unterdrückte dieses Gefühl in mir, weil es einfach nicht Realität sein durfte. Denn diese Geschichte wäre kitschiger als ein rosaroter Sportfilm von Hollywood, wo der vom Schicksal geplagte Sportler sich am Ende durchsetzt und als Held gefeiert wird.

Auch als ich dan Tag für Tag schwarz auf weiss aufgetischt bekam, dass mein Gefühl stimmte. wollte ich es immer noch nicht gauben. Weshalb sollte gerade ich das Glück haben, das erleben zu dürfen. Jeder Tag war wie in einem Film, dessen Hauptrolle man spielte. Der Unterschied… es war kein Film, es war Realität. Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich an manche Szenen denke.

Eigentlich wollte ich damals meine Gedanken aus dem tiefsten inneren auf meiner Homepage veröffentlichen. Aber wenn ich damals geschrieben hätte, dass ich vor habe, trotz Chemotherapie voll weiter zu trainieren, hätten mich die Leute vermutlich für verrückt erklärt. Ich lag mit meinen Träumen auch falsch. Denn ich habe meine hoch ambitionierte Trainingspläne nicht nur erreicht, sondern bei weitem übertroffen! Heute wünschte ich, ich hätte diese Zeit gebloggt, einfach um anderen Menschen Mut zu machen!

Heute habe ich das gleiche Gefühl wenn ich von der Vefko träume. Mein Verstand sagt mir… vergiss es Raphael, das schafft ihr nie im Leben, das ist unmöglich! Und mein Herz kontert zu gleich. Der Verstand hat keine Ahnung. das wird noch zehn mal geiler als du dir das momentan ausmalst! Ich habe noch nie über meinen wahren Träume der Vefko gesprochen. Alle die tollkühne Visionen nicht mögen, empfehle ich nun aufhören zu lesen. Den Resten bitte ich, eine stabile Sitzposition einzunehmen, dann drei mal tief durchatmen, und dann weiter zu lesen.

Vergesst das schnuckelige kleine Vereinchen Vefko gleich mal! das ist nur die erste Übung des Warmlaufens. Natürlich wird es immer Platz für den Verein geben… ihm wird vermutlich später die nicht unwichtige Aufgabe der Nachwuchsförderung zugeschrieben werden.

Seit langem faszinieren mich drei Dinge. Erstens, Firmen die vom absoluten Nullpunkt anfangen, und heute ziemlich gross sind. Firmen die eine Unternehmenskultur haben, wo die Leute am Wochenende schon wieder auf Montag warten… einfach weil die Arbeit so viel Freude macht!. Drittens Menschen die trotz Behinderung in der Unternehmer Welt nicht nur bestehen, sondern erfolgreich sind!

Ich will also eine Firma mit anderen Behinderten auf die Beine stellen, die ne ordentliche Grösse hat (2000 Leute oder so), die auf ihrem Gebiet Spitze ist, und die das Beste Arbeitsklima bietet, dass man sich vorstellen kann!

Ja, ihr braucht mir jetzt nicht zu sagen, dass die Idee geisteskrank ist, das weiss ich selbst. Aber man darf nicht vergessen, dass man die Visionäre von Google, Microsoft Apple, in den Anfängen wohl auch als Spinner abgestempelt hätte. Vermutlich wurde ihnen das so viel gesagt, dass sie es gescheut hatten, damals ihre Visionen und der Werdegang öffentlich preis zu geben. Irgendwie schade, denn heute wären diese Geschichten hoch interessant. Und Rückblickend kommen halt vor allem die zweifelnden Momente nicht mehr so rüber. Erstens verdrängt man die mit der Zeit. und zweitens, weiss man ja wie es ausgegangen ist.

Der Ausgang von Vefko ist hingegen noch komplett unbekannt. Und natürlich habe ich Zweifel. Um ehrlich zu sein, frage ich mich sogar, ob mir mit dieser Idee nun alle Sicherungen durchgebrannt sind. Aber da ist eben auch eine Stimme die sagt: „Raphael, go for it! das ist das geilste Projekt dass du je aus dem Boden gestampft hast, und es wird noch viel geiler, als du dir das vorstellst!“

Auf diese Weise lade ich Euch ein, an unserer Geschichte teil zu haben. Lasst ein dickes „Mag ich“ da, fass ihr der flüsternden Stimme auch ein bisschen Glauben schenken wollt, Abonniert meinen Blog um weiter informiert zu bleiben und bis zum nächsten mal!

Warum Home Office für einige Behinderte die Zukunft ist.

Dienstag Abend um 17:30. Wir hatten gerade eine Sitzung in Chur, Andri und ich machen sich auf den Heimweg. Wir sind in einem vollgestopften Pendelzug von Chur nach Landquart. Zum Glück geht diese Strecke nicht mal 10 Minuten. Mir wird wieder mal vor Augen geführt, wie es Pendler haben.

Pendeln ist schon für Nichtbehinderte keine schöne Sache, doch für Behinderte kann das echt der Horror sein. Ich musste zum Glück nur einmal in meinem Leben pendeln. Damals von Hünenberg (ZG) nach Zürich während einer IV Abklärung.

Home Office
Mein Home Office

Mein Alltag heute ist da viel entspannter. Erst mal in den 80m entfernte Dorfladen gehen, und mir was zum Frühstück holen. Dann gemütlich in das online Büro einloggen, und mit der Arbeit beginnen. Dabei bin ich auch gar nicht an den Tag gebunden. Ich kann auch in der Nacht oder am Wochenende arbeiten.

Ich würde eine fünf Tage Woche nicht durchstehen. Dennoch habe ich für die Vefko auch schon 52h die Woche gearbeitet. Bei mir wäre es so, dass ein schöner Teil meiner Energie schon beim Pendeln verloren gehen würde. Diese hätte ich beim arbeiten nicht mehr zur Verfügung. Das wäre komplett ineffizient.

Integration durch Arbeit

In unserer Gesellschaft hat arbeiten einen grossen Stellenwert. Eine der ersten Fragen wenn man jemand kennen lernt ist: „Was machst du beruflich?“ Es ist recht unangenehm, diese Frage nicht beantworten zu können. Daher versuchen auch de Behinderten, diese Lücke mit irgendetwas zu schliessen. Auch wenn es ein Arbeitsplatz im geschützten Bereich ist, Hauptsache man kann dem anderen sagen, dass man nicht nur faul rumsitzt.

Es gab schon Leute die stellten das Vefko Konzept in frage. Vereinsamt man nicht, wenn man nur noch von zu Hause aus arbeitet? Die Frage ist nicht ganz unberechtigt, denn es kann tatsächlich passieren. Aber mal Hand aufs Herz, wie viele Arbeitskollegen sind auch private Kollegen? Vermutlich eher weniger. Klar trifft man sich hin und wieder mal mit seinen Arbeitskollegen zu einem Essen. Aber der private Filmabend geniesst man dann schon eher mit anderen Leuten oder nicht?

Die Integration durch Arbeit hat also weniger einen sozialen Aspekt, es geht eher um die Anerkennung von aussen, dass man auch etwas zur Gesellschaft beiträgt. Und da spielt es nun wirklich keine Rolle, ob man täglich zum Büro pilgert, oder ob man von zu Hause aus arbeitet.

Mit Home Office die Energie besser einteilen

Als ich damals in der IV Abklärung war, musste ich mich jedes mal aufraffen, um ins Training zu gehen. Ich war damals aber erst 19 Jahre alt, und körperlich, mal abgesehen von der Behinderung topfit. Heute würde es mir nach so einem Arbeitstag vermutlich wie vielen anderen Behinderten gehen. Nach dem ich zu Hause bin, wäre ich erst mal fertig mit mir und der Welt und hätte überhaupt keine Kraft mehr für Freizeitaktivitäten.

Heute sieht es bei mir anders aus. Gerade wenn ich viel gearbeitet habe, verspüre ich den Wunsch nach einer alternativen Aktivität. Sei es das Dorffest, das Training oder auch nur einen gemütlichen Schwatz mit den Nachbaren. Und genau das sind Kernbausteine für eine richtige integration in der Gesellschaft.

Für einige Behinderte dürfte Home Office erst die Chance bieten, den Beruf und die Freizeit unter einen Hut zu bringen, daher sehe ich darin eine grosse Zukunft.

Vefko kommt in Fahrt!

Phu, endlich mal Ruhe im online Büro! Dass ich diese Stille mal geniessen werde, hätte ich vor einem Jahr nicht zu denken gewagt. Und das kein Blog kam, lag nicht daran, dass ich gerade gemütlich irgendwo Ferien mache. Nein, Vefko hat einen riesen Sprung nach vorne gemacht.

Die letzten zwei Tage war das Büro teilweise zu dritt besetzt. Wir haben einen neuen Programmierer, der sowas von Gas gibt, und noch ein Newbie dazu. Wie ich immer so schön sage, ein Projekt braucht nicht viele Leute, sondern die richtigen. Wir sind aktuell nur fünf Leute, aber die richtigen! und das macht den Unterschied.

Es macht unglaublich viel Spass so zu arbeiten, und obschon eigentlich gerade Ferienstimmung ist, stört es mich nicht, den halben Tag vor dem Computer zu verbringen. Ich dachte immer, top Team Dynamik findet man nur im Sport… diese Meinung muss ich glaub gründlich revidieren.

Vor allem die Tatsache, dass dieses Projekt nur aus Menschen besteht, die normalerweise Hilfe von aussen brauchen, macht das Ganze speziell. Die meisten ähnlichen Projekte sind geführt, durch irgendwelche Sozialarbeiter. Wir führen uns selbst, und coachen uns gegenseitig ein völlig neues Konzept. Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe untereinander.

Ich war schon immer ein Fan von flacher Hierarchie. Doch welche Vorteile sie hat, hat sich diese Woche gezeigt, als sich der neue Programmierer gegen Marc und Mich mit einer Idee durchsetzte. Nach Betrachtung aller Fakten mussten wir einsehen, dass seine Lösung die bessere ist. Doch dafür muss man sich erst mal auf eine Diskussion einlassen. Das ist in einer stark hierarchischen Struktur meist gar nicht gegeben. So bleiben da gute Ideen schon mal auf der Strecke.

Noch mehr Auftrieb gibt uns die Tatsache, dass wir in letzter Zeit auch wieder etwas Finanzielle Unterstützung bekommen haben. Das hilft natürlich bei der Motivation. Wir haben im letzten halben Jahr nicht mal die Bürospesen ausbezahle. Diese betragen gerade mal CHF 5.– pro 8h Arbeit. Wenn man viel arbeitet, reicht das in der Schweiz eigentlich gerade mal für’s Internet, und einen kleinen Zustupf an den Rechner. Unser Ziel wäre es schon, zumindest diese Bürospesen unseren Leuten mal auszahlen zu können. Vielleicht gelingt uns das ja in Zukunft.

Das schönste ist aber wohl, zu sehen wie sich Menschen verändern. Leute die vorher keine Perspektive hatten, gewinnen plötzlich an Fahrt, blühen auf, machen Pläne für die Zukunft. Es ist schon fast beängstigend zu sehen, wie schnell es geht, das ein Projekt plötzlich IHR PROJEKT ist. Jemand meinte letzthin zu mir: „Es hat sich schon lange etwas in mir aufgebaut. Doch es war eingesperrt. Vefko hat dieses etwas befreit“

Jemand fragte mich, wie ich dann die Leute finde. Ich antwortete: „Überall wo sie niemand vermutet, auf der Strasse vor dem Dorfladen, auf der Zugfahrt nach Hause.“ Einer der Programmierer ging heute auf ein Festival. Auf seinen Wunsch hin habe ich ihm notfallmässig noch ein paar Visitenkarten gedruckt. Ich wäre jedenfalls nicht überrascht, wenn er mit jemand Neuem im Schlepptau zurückkommt.

Und wenn du jetzt denkst, wow, zu diesem verrückten Team will ich auch. Dann schreibe sofort eine Mail an raphael(at)vefko.ch. Denn irgendwann finden wir dich sowieso 😉

Momentan ist wie gesagt niemand in unserem online Büro, ausser ich. Und bevor die ersten wieder aufschlagen, mache ich hier jetzt fertig.

Sport of Hope – Wie ich es aushalte, als Behinderter unter Nichtbehinderten zu trainieren

Das ist eine Frage die immer wieder an mich gestellt wird. Denn schliesslich bin ich da immer der letzte. Das war tatsächlich nicht immer einfach und ich bin damit auch nicht immer gleich umgegangen.

Als Kind hatte ich tatsächlich sehr Mühe damit. Ich wollte eigentlich mithalten können, doch so sehr ich mich auch anstrengte, es reichte nie ganz, das war extrem frustrierend. Mit zunehmendem Alter ging die Schere zu der Nichtbehinderten Spitze natürlich immer mehr auf. Aber lange nicht alle Nichtbehinderten werden Spitzensportler. In der Pubertät scheidet sich der Weizen vom Spreu. Einige finden Sport doch nicht ganz so wichtig, andere sind schlicht zu faul für das harte Training, und wieder andere kriegen Verletzungsprobleme und geben auf.

Ich hingegen zog eiskalt mit sechs Trainings die Woche durch, und so holte ich viele Leute ein, gegen die ich früher keine Chance gehabt hätte. Einfach weil ich bessere Technik, Taktik und auch konditionell um Welten überlegen war. Das machte die Behinderung in vielen Fällen sogar wett. So kam es immer wieder vor, dass Nichtbehinderte mich nur noch von hinten sahen.

Ich muss sagen, es machte mir schon Spass, wenn ich in einer Gruppe Unihockey spielte. Ein Gegenspieler der mich kannte warnte seine Gruppe ausdrücklich von mir. „Lasst Raphi auf keinen Fall schiessen, ok? auf gar keinen fall!!“ Fünf Minuten Später haue ich einen Direktschuss voll in die Hohe Ecke und alle fragen sich wie das passieren konnte. Ich schmunzelte dann jeweils nur und dachte für mich… geht mal noch etwas Unihockey üben Jungs 😉

Und es ist unglaublich schön, wenn du das erste mal von einem Junior gesagt bekommst: „Du bist mein Vorbild.“ Oder wenn sie dich nach einem Autogramm fragen oder auch nur ein paar Tipps von dir hören wollen.

Aber ich glaube, das was mich am meisten antreibt ist der Respekt und die Vorbildfunktion für andere Spitzensportler. Vermutlich weil diese Bewunderung extrem ehrlich ist. Als Kind hätte ich mir nie geträumt, dass ich als behinderter mal ein Vorbild für Nichtbehinderte Spitzensportler sein kann. Dies macht das ständige letzte werden mehr als wett.

Einige reagieren auch ziemlich allergisch wenn ich mich heute nicht mehr wirklich zu den Sportlern zähle. „Was ist dein Ziel, normal gehen oder?!? und das nennst du kein Sport!!! Komm geh nach Hause!!!“ Und wieder andere warten nur drauf, bis ich an einem Wettkampf wieder mal richtig übel zuschlage. Ich habs nicht mehr ganz so eilig wie auch schon. Aber Sporttot bin ich noch nicht!

Ich bin zwar momentan nicht Wettkampfbereit… habe mir aber letzthin die Leichtathletik Lizenz für dieses Jahr gelöst. Nur für den Fall, dass mich irgendwann was juckt. Nur so als leise Warnung!!!

Wenn der Motivator selbst einen Schups bekommt

Lange war ich still… sehr lange. Nicht nur hier, auch bei Vefko. Heute Morgen klingelt es an der Tür. Marc stand davor und wollte wissen wie es mir geht. Ja, ich hatte bereits ein schlechtes Gewissen, denn ich ahnte es… ohne mich läuft in der Vefko nichts.

Ich bin normalerweise der, der das Team zusammentrommelt, Aufgaben koordiniert und auch mal motiviert. Doch die Vorstellung, dass ich die einzige Kraft bin, die vorwärts drängt, ist falsch. Marc ist auch ein pusher und heute hat er mich mal wieder angeschoben.

Wir nahmen dann das zum Anlass, miteinander auch mal die nächsten Schritte zu Besprechen. So ganz 100% einig waren wir uns nicht. Marc möchte eher in Richtung Dienstleistung für Vereine gehen. (also zum Beispiel Web Entwicklung für Vereine) Ich hingegen möchte in unserer Website das Design und die Benutzerfreundlichkeit verbessern. Denn diese lässt aktuell noch zu wünschen übrig.

Diese Meinungsverschiedenheiten sind nicht nur normal, sondern wichtig! Meinungsverschiedenheiten zeugen davon, dass eine Gruppe in der Lage ist, Probleme von verschiedenen Blickwinkel zu betrachten und unterschiedliche Lösungskonzepte zu erarbeiten. Ich hüte mich auch davor, einen Weg als DEN richtigen zu beschreiben. In sehr vielen Fällen ist es nämlich der Mix aus zwei oder mehr Lösungsansätzen, die den Durchbruch schafft.

Vefko ist vielleicht auch etwas „Beschäftigungstherapie“ für Leute die sonst keine Beschäftigung haben. Mit dem einzigen Unterschied, dass es kein gemeinsamer Raum und keine Sozialarbeiter gibt. Wir sind natürlich nicht anerkannt, und ich glaube auch nicht, dass wir je anerkannt werden. Denn viele haben Zweifel, ob das so ganz ohne Betreuung funktioniert. Auch wenn das Ganze noch sehr klein ist, funktioniert es eben doch. Das zumindest hat das heutige Klingeln von Marc gezeigt. Normalerweise bin ich immer der, der Anschupst. Doch heute war mal Marc die schupsende Person. Danke dafür!

Sport of Hope – Die inspiration von Terry Fox

Ja, man kann mir vorwerfen, dass mein „Sport of Hope“ eine billige Kopie von Terry Fox’s „Marathon of Hope“ ist. Und ja, „Sport of Hope“ ist zweifelsohne inspiriert vom „Marathon of Hope.“ Aber wer ist Terry Fox überhaupt? werden jetzt viele fragen.

Terry wuchs im kanadischen Brithish Columbia auf. Er war ein begeisterter Sportler und galt als Nachwuchstalent. Kurz vor dem 18. Geburtstag bekam er die Diagnose Knochenkrebs. Um überhaupt eine Chance auf Heilung zu haben, musste er sein rechtes Knie amputieren lassen. Ein Horrorszenario für ein angehenden Sportler Ende der 70er Jahre.

Doch noch mehr Horror war die anschliessende Chemotherapie. Er war noch in der Kinderabteilung stationiert, und musste mit ansehen, wie andere Kinder wegstarben. Ihm wurde bewusst wie hoffnungslos der Kampf gegen die Krankheit oft ist und mit welcher Härte der Krebs seine Opfer forderte. Als er die Therapie abgeschlossen hatte, konnte er die Zeit nicht einfach vergessen. Er wollte etwas gegen das Leid unternehmen.

Er vernahm, dass die Kanadische Krebsforschung dringend Geld benötigte. Nach einigen Überlegungen kam er auf die verrückte Idee, quer durch Kanada zu laufen, um 1 Mio Kanadische Dollar für die Krebsforschung zu sammeln.

Nach langer Vorbereitung und harten Trainings startete er am 12. April 1980 in Neufundland sein „Marathon of Hope“ mit dem Ziel nach Hause zu laufen. Sein Freund Doug folge ihm in einem Begleitfahrzeug. Er machte JEDEN EINZELNEN TAG EINEN MARATHON, und das mit einer Prothese und der Prothesentechnik von damals.

Am Anfang nahm er nicht viel ein, doch stieg die Aufmerksamkeit stark an. In Toronto wurde er bereits als Held empfangen. Doch leider kam auch der Krebs zurück, und schlussendlich musste er den Lauf nach über 5000km bei Thunder Bay (Ontario) abbrechen. Diesmal konnte ihn auch die erneut angesetzte Chemotherapie nicht mehr helfen. Am 28. Juni 1981 stirbt Terry im Alter von 22 Jahren im Kreise seiner Familie.

Doch Terrys Traum lebt weiter, bis heute. Jährlich werden seither „Terry Fox Runs“ mit dem Ziel, Geld zu sammeln für die Krebsforschung, ausgeführt. Die Terry Fox Foundation hat bis heute über 600 Mio Kanadische Dollars für die Krebsforschung gesammelt. Viele Medikamente würde es ohne sein engagement nicht geben.

Als ich die Geschichte vernahm, war ich sehr berührt und Motiviert. Sie zeigt, dass das „Unmöglich“ sehr viel weiter weg ist, als wir immer glauben. Terry ist für mich immer wieder eine inspiration und wenn ich mal wieder nicht an meine Ziele glaube, denke ich an ihn. „Ein einzelner Mensch kann nicht bewirken“, was ist diese Aussage für eine Lüge, und eine billige Ausrede für all die jenen, die ihr Finger nicht aus dem Arsch bekommen!

Stützradkrimi – Schockerkenntnis auf dem Basketballplatz

Die Welt war zu diesem Zeitpunkt in Ordnung. Ich hatte Freunde, mein Unihockeyclub, und auch mit der Behinderung hatte ich mich arrangiert. Ich wusste zwar, dass ich diese für immer haben werde, das war aber ok für mich. Ich war mal wieder nach der Schule mit meinem Fahrrad in Richtung Basketballplatz unterwegs. Ich hatte keine Ahnung dass an diesem Tag Sport für mich eine ganz andere Bedeutung bekommt.

Es begann mit einer ganz normalen Szene unter dem Korb, wie sie halt hunderte male passiert. Ich sprang hoch um mir den Rebound zu holen. Für alle die jetzt Basketball nicht kennen, ein Rebound ist der Ball der nach einem missglückten Wurf vom Korb abprallt. Ich bin relativ klein, ausserdem auch nicht der Sprungstärkste. Normalerweise holte ich die Rebounds nicht, und wenn ich es doch mal schaffte machte ich nach der Landung meist Schrittfehler. Doch dieses mal meisterte ich das souverän.

Ich spielte an jenem Abend einfach wesentlich besser. Es war nicht einfach nur eine gute Phase. Irgendwann schrie ein Freund der im Gegenteam spielte halb frustriert, hab begeistert: „Verdammt Raphi, was ist los mit dir! du spielst ja viel besser als sonst!“ Das brauchten sie mir nicht zu sagen, das merkte ich ja selbst. In der Pause sprachen mich die Jungs noch mal an. „Mal im Ernst Raphi, irgendwas ist anders, was ist los?! Vorhin hatten wir einen Zusammenstoss in der Luft, und du spielst einfach weiter, als ob nichts gewesen wäre. Normalerweise fällst du doch da um.“ „Ich glaube, ich habe mehr Gleichgewicht“, meinte ich leise.

Zum ersten mal seit einem Jahrzehnt wurde ich mit dem Thema Fortschritte konfrontiert. Mich traf dieses Thema sehr, da ich eigentlich damit abgeschlossen hatte. Für mich waren Fortschritte immer mit der Intensivtherapie nach Doman verbunden, die meine Eltern im frühen Kindesalter mit mir machten. Aber was hat diesen Fortschritt ausgelöst. Es war Schulferien, und ich hatte keine Physio. Aber ich war jeden Tag sicher drei Stunden am trainieren. Hat der Sport diese Fortschritte ausgelöst?! Bei dem Gedanken lief es mir kalt den Rücken herunter. Erst allmählich wurde mir klar, was da passiert.

Die Wahrheit war, ich machte tonnenweise Fortschritte, ich hab sie einfach nicht erkannt. Ich hatte in den Jugendjahren nur ein Ziel, so nah wie möglich an die Leistung der Nichtbehinderten ranzukommen. Ich war so auf die Leistung der Nichtbehinderten fokussiert, das ich meine Fortschritte schlicht übersah. „Wenn Sport Fortschritte mit sich bringt… was passiert, wenn ich weiter trainiere? Dann müsste die Behinderung ja irgendwann wegtrainiert sein.“ Dieser Gedanke liess mich nicht mehr los. Nicht weil ich unbedingt normal gehen wollte, sondern weil von dem Gedanken für mich eine unglaubliche Kraft ausging. Bis dahin war mein Ziel, irgendwann mal ein internationaler Behindertensportler zu sein. Man hat als Jugendlicher da so Bilder vor sich, wie man an den Paralympics mit dem Trikot der Schweizer Nationalmannschaft in die Arena einläuft. Die Vorstellung vom Empfang am Flughafen, wenn man – als Held gefeiert – wieder Heimischen Boden betritt. Die Autogramme die man geben kann, die Vorbildfunktion die einem zukommt, das sind tolle Gedanken. Aber der Ruhm im Sport ist sehr vergänglich. Die Helden von heute sind morgen schon vergessen.

Und was sind ein paar Goldmedaillen gegen das andere Ziel. Ich meine, ICP gilt als unheilbar. Was würde es für eine Welle nach sich ziehen, wenn ich die Mauer „Unheilbar“ niederreissen könnte. Dieser Gedanke war gerade zu Übermächtig. Das Risiko zu scheitern ist unendlich gross. „Wenn du das nicht versuchst, wirst du das vielleicht dein Leben lang bereuen. Du wärst ein verdammter Feigling“ sagte ich zu mir. „Du musst es versuchen, egal wie bitter, egal wie hart es wird. Du musst es tun, für dich und für die anderen ICP’ler!“ Sagte ich während mir die Tränen runterliefen.

An jenem Abend fällte ich eine Entscheidung meines Lebens. Ich nahm den Kampf mit meiner Behinderung auf. Und genau dieser Kampf ist der Grund, warum ich meine Geschichte in Blogform mache. Denn sie ist noch nicht Abgeschlossen. Heute weht die Schlachtfahne mehr denn je. Diese Geschichte hat erst letztens auf Sport of Hope begonnen.

Netzwerk der vermeintlichen Verlierer wächst!

Findet ihr auch, dass es viel zu viele negative News auf dieser Welt gibt? Deswegen mag ich „Steve Hartman – On the road.“ In diesen Beiträgen bringt der Amerikanische Fernsehsender CBS jeweils immer am Freitag ein Bericht über etwas das gut läuft in dieser Welt. Ja, die Sendung ist sehr amerikanisch, doch es tut einfach gut, zu sehen, dass die Welt nicht so trist ist, wie sie in den Medien oft dargestellt wird.

Die Folgen sind teilweise sehr berührend da sie oft zeigen wie Menschen positiv mit ihrem Schicksal umgehen und damit viel erreichen. Oder es sind Karma Stories, wo Menschen gutes tun und schlussendlich in einer Krisensituation viel mehr zurück bekommen als sie je geben konnten. Alle die Englisch können, empfehle ich die Reihe „Steve Hartman – on the road“ zu Gemüte zu führen.

Eigentlich wollte ich in meinem Blog eine Serie machen, die „on the Road“ kopiert. Ich wollte in dieser Serie fremde Beispiele aus der Schweiz bringen. Ich hätte es „Raphael Bircher – aus dem Zug“ genannt. Doch ich bin kein Journalist und will auch keinen werden. Journalisten sind auf der Zuschauerbank, und ich hasse es, Zuschauer zu sein.

Deswegen fokussierte ich mich auf mein Vefko Projekt. Vor drei Wochen hätte ich noch gesagt, dass aus dem Projekt wohl nichts mehr wird. Nach etlichen Versuchen Leute zu motivieren, sich mal aus ihrem Loch zu kämpfen, hatte ich schon fast aufgegeben. Ich glaubte halt einfach, dass die meisten Leute selbst dann nicht aktiv werden, wenn man ihnen eine Hand reicht.

Oh man, wie falsch war ich mit dieser Einschätzung. Keine Ahnung was gerade passiert, aber seit drei Wochen kommen all die vermeintlichen Verlierer aus dem Boden gekrochen. Und alle wollen sie eins, Teil der Vefko sein. Dabei bieten wir absolut nichts Materielles. Wir sind momentan noch nicht mal in der Lage die CHF 5.– Home Office Spesen für 8h Arbeit zu vergüten. Wir haben in den letzten drei Wochen drei Leute hinzu gewonnen.

Und ich sag Euch eins, das erleben zu dürfen ist schöner als „On the road“ schauen. Denn es ist nicht irgend eine Geschichte die man auf YouTube ansieht. Es ist ein Teil meiner Geschichte. Und das macht diese so speziell.

Raphael bircher – mal nicht aus dem Zug – aus Malans, Schweiz