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Im neuen Büro angekommen

Ein Traum von mir geht in Erfüllung. Ich habe ein Büro. Während andere das Home-Office geniessen, war es für mich wichtig, Arbeitsplatz und Wohnort zu trennen. Als Vefko wieder startete wusste ich, dass ich ein Büro brauche.

An der Vefko Strategie ändert das direkt nichts. Wir wollen den Menschen weiterhin ortsunabhängiges Arbeiten ermöglichen. Einen zentralen Arbeitsplatz wird es weiterhin nicht geben. Aber neu bieten wir den Mitarbeitern die Möglichkeit an, in ein nahegelegenes Co-Working Space zu gehen. Dass wir weiterhin auf dezentrales Arbeiten setzen, ist natürlich kalkuliert. Denn das Netzwerk wächst dadurch natürlich ungemein.

Denn in jedem Co-Working ergeben sich Bekanntschaften die immer mal wieder auch neue Aufträge mit sich bringen. Zudem schafft das auch Verbindungen zwischen Behinderten und Nichtbehinderten. Genau das wollen wir ja auch.

Ich hatte das Glück, dass ich mich bei der Firma 08Eins Software Haus einmieten konnte. Wir sind in einem echt coolen Büro im City West in Chur. Das ist im grössten Einkaufszenter Graubündens. Und das Büro ist Klimatisiert. Endlich nicht mehr schmachten im Sommer, halleluja! Wir sind hier mehrere Co-Worker die durchaus auch von einander profitieren. Ich bin richtig glücklich diese Möglichkeit zu haben.

Bild vom Vefko Büro

Q & A: Behinderung

Ist es nicht hart, Behindert zu sein?

Gegenfrage: „Ist es nicht hart zu leben?“ Ich glaube, das hat sehr viel mit Einstellung zu tun. Es kommt nicht so sehr darauf an, was man hat, sondern was man daraus macht!. Klar hat man als Behinderter ein paar Herausforderungen mehr. Aber ich hab früh gelernt, dass man sich mit Selbstmitleid nur das Leben erschwert. Klar gibt es Tage an denen ich kämpfen muss. Aber hat das nicht jeder Mensch?

Warum hast du keinen Rollstuhl oder Hilfsmittel?

Lange war das für mich überhaupt kein Thema. Denn zu meiner Spitzensport Zeit war ich so fit, dass für mich Gehen kein Problem war. Jetzt nach Ende der Sportkarriere hat mein Radius ziemlich abgenommen. Da habe ich tatsächlich mal über Hilfsmittel nachgedacht. Das Problem ist halt, wenn Hilfsmittel nicht nur helfen sondern auch im Wege stehen. Mit Krücken oder auch Walking Stöcken kann man zum Beispiel nichts mehr in der Hand tragen. Und den öffentlichen Verkehr mit dem Rollstuhl zu nutzen macht auch nicht so viel Spass. Obschon die Schweiz in dem Bereich in den letzten Jahren extrem viel unternommen hat.

Ein Rollstuhl wäre vielleicht praktisch an einer Veranstaltung, Aber für den Weg dort hin ist er ein Hinderniss. Ich werde vermutlich eher im Sommer meine Kondition wieder ein bisschen aufbauen, als auf Hilfsmittel zurückgreifen. Das bringt mir mehr.

Hast du Therapien?

Nein, hab ich nicht. Ich hab mit 17 aufgehört mit Physiotherapie. Danach war Sport meine Therapie über viele Jahren. Aktuell mache ich sogar gar nichts und das seit acht Monaten und ich kann keine Verschlechterung feststellen (mal abgesehen von der Kondition). Es ist auch so, dass ich meinen Körper sehr gut kenne und selbst bei Rückschritten wüsste ich genau wie reagieren. Eine Physio wäre da nicht wirklich eine Hilfe.

Hast du Schmerzen?

Teilweise ja. Mein linkes Knie ist so der Hauptproblempunkt. Es ist halt durch die Gangart stark belastet und hat auch die eine oder andere Sportverletzung abbekommen. Aber die Schmerzen sind meist nicht schlimm und je nach Gangart auch gar nicht vorhanden.

Wenn man sich vor Augen führt, dass mich die Ärzte mit 20 Jahren im Rollstuhl sahen, kann ich mit ein bisschen Schmerzen hin und wieder gut leben, Ich meine, ich laufe jetzt schon doppelt so lange wie damals prophezeit.

Wo merkst du deine Behinderung am meisten?

Natürlich am kleineren Radius den ich gehen kann. (wobei ich den mit ein bisschen Konditionstraining sofort erweitern kann) Alle Betätigungen die grosses Gleichgewicht erfordern. Ebenfalls sehr mühsam für mich ist es am Platz zu stehen. Zum Beispiel Stehen in einer dichten Menschenmenge ist ein komplettes no Go. Da mein Gleichgewicht fast nur über die Augen funktioniert, brauche ich eine sichtbaren Horizont, den ich als Referenzwert nehmen kann. Dieser ist in einer Menschenmasse aber nicht vorhanden. In einer Wartschlange stehen ohne mich irgendwo halten zu können ist auch sehr schwierig für mich. Allerdings bin ich auch sehr geübt im Objekte zu finden, an denen ich mich halten kann 😉

Hast du Medikamente?

Nein, habe ich nicht.

Wohnst du in der eigenen Wohnung?

Ja, ich wohle alleine und das ist mir wichtig. Ich habe ein mal in der Woche Unterstützung für den Haushalt. das wars. Meine eigenen vier Wände sind mir und waren mir schon immer wichtig. Ich bin auch schon relativ früh ausgezogen. Mit knapp 20 Jahren war ich vom Elternhaus weg. Ich brauche meine eigene Wohnung als Rückzugsort.

Erlebst du Diskriminierung, und wenn ja, wie gehst du damit um?

Es kommt halt sehr darauf an, was man als Diskriminierung empfindet. Gewisse empfinden schon das nachschauen als eine Diskriminierung. Sachen wie Nachschauen sind mir komplett egal. Mir fällt das schon gar nicht mehr auf. Auch mit der Frage: „Was ich habe“ kann ich gut umgehen. Klar es nervt manchmal, wenn man die Frage bereits sechs mal an einem Tag gehört hat. Aber gute Aufklärung ist nun mal die Basis für eine tolerante Gesellschaft.

Viele Äusserungen die man als Diskriminierend empfinden könnte, sind gar nicht so gemeint. Wenn ich zum Beispiel an einem Fest bin, auf dem viel getrunken wird, werde ich oft mit einer Bierleiche verwechselt (obschon ich generell kein Alkohol trinke). Das kann ich den Leuten halt nicht übel nehmen, weil meine Gangart halt wirklich so aussieht. Auch das Nachschauen ist eigentlich nie böse gemeint, sondern immer eher eine Neugierde.

Willentlich bösartige Diskriminierung höre ich ganz ganz selten. Und das sind dann meistens Menschen die ohnehin auf Provokation aus sind. Auf dessen Niveau lasse ich mich in der Regel nicht herab. Mich zu beleidigen ist generell schwierig und mit der Behinderung kann man mich heute kaum noch verletzen.

Als Kind und Jugendlicher war das noch anders. Wenn mich da mal ein Kommentar verletzte, wog ich ab. Das ist jetzt eine Person die nicht freundlich war zu mir… und wie viele waren heute nett zu mir? Die Zahl der netten Kommentare oder gar der Bewunderer war immer höher als die negativen. Das half mir.

Wünschst du dir manchmal die Behinderung weg?

Als Jugendlicher hatte ich diese Phasen manchmal. Heute wünsche ich mir manchmal noch ein normales Leben. Aber ganz ehrlich, wäre ich auch nur eine Woche auf dem 0815 Weg, würde ich meinen jetzigen wieder vermissen. Und meinen Weg den ich einschlug habe ich vermutlich zu einem Grossteil meiner Behinderung zu verdanken. Mit 20 Jahren lass ich einige Motivationsbücher. In einem stand, dass einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist, sich von der Masse abzuheben. Ich sagte zu mir: „Hey cool, das brauch ich gar nicht mehr zu machen. Durch meine Behinderung bin ich bereits speziell… Lass uns das nutzen.“

Rückblickend ist mir das gar nicht so schlecht gelungen 😉 Ihr seht, eine Behinderung kann auch Vorteile haben.

Mein Weg zum ITler – der erste Familien PC

Sommer 1992, ich komme gerade von einer zwei Tägigen Radtour am Bodensee nach Hause. Kaum zu Hause angekommen meinte mein jüngerer Bruder ganz begeistert. „Der Computer ist da… wir haben einen Computer.“ Damals war es noch lange nicht so, dass jeder Haushalt einen Computer hatte. In meiner Klasse war ich der erste der so ein Ding zu Hause stehen hatte. Und da steht sie also. Eine Maschine von Tandon mit einem 486er Prozessor mit 32 Megaherz. 4 MB RAM und 200 MB (jaja, Mega, keine Giga) Festplatte. Wir hatten auch ein Farb-Tintenstrahldrucker mit separater Schwarz Patrone, damals der letzte Schrei.

Und für all die jungen die diesen Blog lesen… nein, da war nichts mit Internet. Der Computer hatte noch nicht mal einen Netzwerkanschluss. Jeder von uns bekam eine Diskette. Und für alle die nicht mehr wissen wie diese aussahen, hab ich hier unten ein Bild. Der Speicher von 1,44 MB war eher bescheiden. Zum Vergleich, ein Bild mit einem durchschnittlichen Handy von heute, hätte man damals auf 3 – 5 Disketten aufteilen müssen. Um damals so ein paar Textdokumente zu speichern, reichte es aber allemal.

Diskette
Eine 1,44 MB Diskette

Natürlich ist Streit vorprogrammiert, wenn man nur ein Computer hat. Wir hatten eine Regelung, dass Arbeiten vor Spielen geht. Wobei man nach spätestens 3 Stunden das Feld freiwillig räumte da einem die Augen von dem Flimmermonitor weh taten. Ich war zwar nie der Gamer, aber als Kind/Jugendlicher spielte ich schon ab und zu. MS Flight Simulator oder ein Formol 1 Spiel dessen Name ich nicht mehr weiss. Meine Mutter war jeweils furchtbar genervt ab dem Spiel, da es so schreckliche Geräusche machte. Aber die Alternative wäre gewesen, dass ich in der Wohnung Unihockey spielte, und das fand meine Mutter auch nicht besser 😉

Aber ein schöner Teil der Zeit verbrachten wir auch mit dem Kennenlernen des Systemes. Als mein grosser Bruder (der damals eine Lehre zum Elektroniker machte) mal ein Kollege zu Hause hatte, der den Computer neu einrichtete, schauten wir kleinen mit grossen Augen zu, und nervten die beiden mit tausenden Fragen. Das Windows 3.11 was wir drauf hatten, verfügte über keinerlei Absicherungen. Kein Login, keine versteckten Systemordner, nichts. Wir Kinder konnten uns alles ansehen. Uns wurde natürlich gesagt, wo wir nicht rumbasteln sollten, aber reinschauen konnten wir genau gleich.

Ich fand irgendwie den Gefallen daran. Doch der wirkliche Computerfreak war eigentlich mein jüngerer Bruder. Da verging nicht viel Zeit, da schleppte er seinen eigenen alten Computer an. Keine Ahnung wo er den her hatte, aber er war halt plötzlich da. Er verschlang auch Computer Zeitschriften.

Da mein älterer Bruder eine Lehre als Elektroniker machte, hatten wir auch eine Lizenz von Turbo Pascal installiert. Das war damals die Lernprogrammiersprache. Mein jüngerer Bruder bastelte hin und wieder damit rum. Ich hielt mich aber vom programmieren noch weitestgehend fern. Mal abgesehen von Stapelverarbeitungsdateien mit Batch. Aber ich liebte es, die Systeme zu verstehen versuchen.

Die Tatsache, dass die Systeme damals noch wesentlich einfacher aufgebaut waren, und dass man überall ungehindert reinschauen konnte, war natürlich vorteilhaft. Des weiteren war natürlich ein Vorteil, dass der Computer damals noch kein Unterhaltungsgerät war. (mal abgesehen von Games denen ich sowieso nicht viel abgewinnen konnte) Die Ablenkung durch Social Media war damals nicht vorhanden. Denn noch wurden wir in relativ jungen Jahren schon mit dem Computer konfrontiert.

Alles zusammen ergab natürlich eine gute Brutstätte für ein IT’er. Heightlights aus dieser Zeit hört ihr im nächsten Blog dieser Serie.

Falsche Hoffnungen in die Inklusion

Inklusion ist in aller Munde. Der Traum vom verschmelzen der Gesellschaft zu einer Gruppe. Eine Gesellschaft ohne Randgruppen. Rahmenbedingungen schaffen, dass jeder Mensch dazu gehört. Eine schöne Sache. Es ist ein Hoffnungsschimmer für all die jenen, die sich bis jetzt von der Gesellschaft ausgegrenzt fühlten.

Doch immer wieder geht der Schuss nach hinten los. Eltern nehmen frustriert ihre Kinder aus dem Inklusiven Unterricht zurück. Beeinträchtigte verlassen enttäuscht inklusive Angebote. Was läuft da schief, und warum werden einige Hoffnungen eben nicht erfüllt?

Ich bin kein Theoretiker, sondern komme aus der Praxis. Ich leben als Behinderter seit über 20 Jahren nahezu ausschliesslich unter Nichtbehinderten. Ich machte unter Nichtbehinderten Sport, bin in der Software Entwicklung aktiv, nehme am Dorfleben teil. In meinem 2300 Seelen Dorf kennen mich fast alle, und wenn mich Leute mal länger nicht sieht, fragen sie mich, wo ich denn war. Man vermisst mich also. Ich habe also das geschafft wovon viele träumen.

Hoffnung auf Normalität

Viele Behinderte leiden unter dem „anders sein.“ Sie fühlen sich dadurch nicht zugehörig, Viele stecken in Inklusion die Hoffnung, dass damit auch Normalität einkehrt. Der Gedankengang ist relativ einfach. Wenn man nicht mehr separiert ist, fühlt man sich automatisch normaler.

Oft wird dann auch noch versucht, so normal wie möglich zu erscheinen, bewusst oder unbewusst nicht den Behinderten zu sein, und das geht dann mächtig in die Hose. Inklusion kann vieles, aber sie bringt keine Normalität. Sie lässt auch die Behinderung nicht verschwinden. Sie verstärkt sie sogar!

Ok, ein Beispiel: Ich machte einige Jahre an ganz normalen Wettkämpfen in der Leichtathletik mit. Was glaubt ihr, wo mir meine Behinderung mehr auffällt, wenn ich an einem Behindertensport Event startete oder an einem der Nichtbehinderten. Natürlich an dem der Nichtbehinderten. Da fällt mir das anders sein viel mehr auf. Wenn ich unter Behinderten bin, sind ja alle irgendwie anders.

Andersartigkeit ist eine Chance

Und dennoch war es wichtig, dass ich an diesen Wettkämpfen teilgenommen habe. Gerade weil ich anders bin. Organisatoren bedankten sich bei mir fürs Erscheinen, und ich wurde sogar an Events eingeladen. Ich hatte Vorbildcharakter für viele, auch für Spitzensportler. Nicht etwa wegen den Platzierungen. Da war ich immer ganz hinten. Sondern wegen meinem unermüdlichen Kämpferwillen. Die Bereitschaft alles zu geben, war mein Markenzeichen und das rüttelte viele auf.

Diese Vorbildfunktion hätte ich nicht wahrnehmen können, wenn ich die ganze Zeit den Nichtbehinderten Sprintern hinterher getrauert hätte. Inklusion ist kein Trostpflästerchen für eine nicht akzeptierte Behinderung. Sie kann auch nicht aus Behinderten Menschen Nichtbehinderte machen. Sie bringt auch nicht die Normalität zurück.

Wer aber die positiven Seiten des „Anders sein“ lebt, und diese in die Gesellschaft einbringt, der wird nicht nur dabei sein, sondern vielleicht auch eine unersetzliche Rolle übernehmen.

Warum Home Office für einige Behinderte die Zukunft ist.

Dienstag Abend um 17:30. Wir hatten gerade eine Sitzung in Chur, Andri und ich machen sich auf den Heimweg. Wir sind in einem vollgestopften Pendelzug von Chur nach Landquart. Zum Glück geht diese Strecke nicht mal 10 Minuten. Mir wird wieder mal vor Augen geführt, wie es Pendler haben.

Pendeln ist schon für Nichtbehinderte keine schöne Sache, doch für Behinderte kann das echt der Horror sein. Ich musste zum Glück nur einmal in meinem Leben pendeln. Damals von Hünenberg (ZG) nach Zürich während einer IV Abklärung.

Home Office
Mein Home Office

Mein Alltag heute ist da viel entspannter. Erst mal in den 80m entfernte Dorfladen gehen, und mir was zum Frühstück holen. Dann gemütlich in das online Büro einloggen, und mit der Arbeit beginnen. Dabei bin ich auch gar nicht an den Tag gebunden. Ich kann auch in der Nacht oder am Wochenende arbeiten.

Ich würde eine fünf Tage Woche nicht durchstehen. Dennoch habe ich für die Vefko auch schon 52h die Woche gearbeitet. Bei mir wäre es so, dass ein schöner Teil meiner Energie schon beim Pendeln verloren gehen würde. Diese hätte ich beim arbeiten nicht mehr zur Verfügung. Das wäre komplett ineffizient.

Integration durch Arbeit

In unserer Gesellschaft hat arbeiten einen grossen Stellenwert. Eine der ersten Fragen wenn man jemand kennen lernt ist: „Was machst du beruflich?“ Es ist recht unangenehm, diese Frage nicht beantworten zu können. Daher versuchen auch de Behinderten, diese Lücke mit irgendetwas zu schliessen. Auch wenn es ein Arbeitsplatz im geschützten Bereich ist, Hauptsache man kann dem anderen sagen, dass man nicht nur faul rumsitzt.

Es gab schon Leute die stellten das Vefko Konzept in frage. Vereinsamt man nicht, wenn man nur noch von zu Hause aus arbeitet? Die Frage ist nicht ganz unberechtigt, denn es kann tatsächlich passieren. Aber mal Hand aufs Herz, wie viele Arbeitskollegen sind auch private Kollegen? Vermutlich eher weniger. Klar trifft man sich hin und wieder mal mit seinen Arbeitskollegen zu einem Essen. Aber der private Filmabend geniesst man dann schon eher mit anderen Leuten oder nicht?

Die Integration durch Arbeit hat also weniger einen sozialen Aspekt, es geht eher um die Anerkennung von aussen, dass man auch etwas zur Gesellschaft beiträgt. Und da spielt es nun wirklich keine Rolle, ob man täglich zum Büro pilgert, oder ob man von zu Hause aus arbeitet.

Mit Home Office die Energie besser einteilen

Als ich damals in der IV Abklärung war, musste ich mich jedes mal aufraffen, um ins Training zu gehen. Ich war damals aber erst 19 Jahre alt, und körperlich, mal abgesehen von der Behinderung topfit. Heute würde es mir nach so einem Arbeitstag vermutlich wie vielen anderen Behinderten gehen. Nach dem ich zu Hause bin, wäre ich erst mal fertig mit mir und der Welt und hätte überhaupt keine Kraft mehr für Freizeitaktivitäten.

Heute sieht es bei mir anders aus. Gerade wenn ich viel gearbeitet habe, verspüre ich den Wunsch nach einer alternativen Aktivität. Sei es das Dorffest, das Training oder auch nur einen gemütlichen Schwatz mit den Nachbaren. Und genau das sind Kernbausteine für eine richtige integration in der Gesellschaft.

Für einige Behinderte dürfte Home Office erst die Chance bieten, den Beruf und die Freizeit unter einen Hut zu bringen, daher sehe ich darin eine grosse Zukunft.

Vefko kommt in Fahrt!

Phu, endlich mal Ruhe im online Büro! Dass ich diese Stille mal geniessen werde, hätte ich vor einem Jahr nicht zu denken gewagt. Und das kein Blog kam, lag nicht daran, dass ich gerade gemütlich irgendwo Ferien mache. Nein, Vefko hat einen riesen Sprung nach vorne gemacht.

Die letzten zwei Tage war das Büro teilweise zu dritt besetzt. Wir haben einen neuen Programmierer, der sowas von Gas gibt, und noch ein Newbie dazu. Wie ich immer so schön sage, ein Projekt braucht nicht viele Leute, sondern die richtigen. Wir sind aktuell nur fünf Leute, aber die richtigen! und das macht den Unterschied.

Es macht unglaublich viel Spass so zu arbeiten, und obschon eigentlich gerade Ferienstimmung ist, stört es mich nicht, den halben Tag vor dem Computer zu verbringen. Ich dachte immer, top Team Dynamik findet man nur im Sport… diese Meinung muss ich glaub gründlich revidieren.

Vor allem die Tatsache, dass dieses Projekt nur aus Menschen besteht, die normalerweise Hilfe von aussen brauchen, macht das Ganze speziell. Die meisten ähnlichen Projekte sind geführt, durch irgendwelche Sozialarbeiter. Wir führen uns selbst, und coachen uns gegenseitig ein völlig neues Konzept. Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe untereinander.

Ich war schon immer ein Fan von flacher Hierarchie. Doch welche Vorteile sie hat, hat sich diese Woche gezeigt, als sich der neue Programmierer gegen Marc und Mich mit einer Idee durchsetzte. Nach Betrachtung aller Fakten mussten wir einsehen, dass seine Lösung die bessere ist. Doch dafür muss man sich erst mal auf eine Diskussion einlassen. Das ist in einer stark hierarchischen Struktur meist gar nicht gegeben. So bleiben da gute Ideen schon mal auf der Strecke.

Noch mehr Auftrieb gibt uns die Tatsache, dass wir in letzter Zeit auch wieder etwas Finanzielle Unterstützung bekommen haben. Das hilft natürlich bei der Motivation. Wir haben im letzten halben Jahr nicht mal die Bürospesen ausbezahle. Diese betragen gerade mal CHF 5.– pro 8h Arbeit. Wenn man viel arbeitet, reicht das in der Schweiz eigentlich gerade mal für’s Internet, und einen kleinen Zustupf an den Rechner. Unser Ziel wäre es schon, zumindest diese Bürospesen unseren Leuten mal auszahlen zu können. Vielleicht gelingt uns das ja in Zukunft.

Das schönste ist aber wohl, zu sehen wie sich Menschen verändern. Leute die vorher keine Perspektive hatten, gewinnen plötzlich an Fahrt, blühen auf, machen Pläne für die Zukunft. Es ist schon fast beängstigend zu sehen, wie schnell es geht, das ein Projekt plötzlich IHR PROJEKT ist. Jemand meinte letzthin zu mir: „Es hat sich schon lange etwas in mir aufgebaut. Doch es war eingesperrt. Vefko hat dieses etwas befreit“

Jemand fragte mich, wie ich dann die Leute finde. Ich antwortete: „Überall wo sie niemand vermutet, auf der Strasse vor dem Dorfladen, auf der Zugfahrt nach Hause.“ Einer der Programmierer ging heute auf ein Festival. Auf seinen Wunsch hin habe ich ihm notfallmässig noch ein paar Visitenkarten gedruckt. Ich wäre jedenfalls nicht überrascht, wenn er mit jemand Neuem im Schlepptau zurückkommt.

Und wenn du jetzt denkst, wow, zu diesem verrückten Team will ich auch. Dann schreibe sofort eine Mail an raphael(at)vefko.ch. Denn irgendwann finden wir dich sowieso 😉

Momentan ist wie gesagt niemand in unserem online Büro, ausser ich. Und bevor die ersten wieder aufschlagen, mache ich hier jetzt fertig.

Ich gehe noch mal in die Schule

Das ich mit meinem Schweizer Realschulabschluss einen weitaus zu tiefen Abschluss habe, dürften alle bestätigen, die mich kennen. Doch einerseits hatte über lange Zeit meine sportliche Karriere Vorrang. Andererseits sind Schulbänke nicht meine Freunde. Klassischen Schulunterricht würde ich kein Jahr überleben.

Glücklicherweise gibt es heute, gerade im Erwachsenen Bildungsbereich auch andere Angebote. Sehr viel Heimstudium mit ein bisschen individuellem Unterricht gepaart. Als ausgeprägter Autodidakt ist das genau das was ich brauche. Ja, richtig, ich will die Matura nachholen und anschliessend Informatik studieren.

Nur damit du den Abschluss hast? Nein natürlich nicht. Ich habe ja vor bald zwei Jahren einen Verein gegründet. Ein Ziel dieses Vereines ist es, neue Arbeitskräfte für die IT zu finden. Wir suchen die nicht dort, wo schon alle Rekrutierer am Grasen sind, sondern dort wo sie noch niemand gesucht hat, Bei den Behinderten.

Wir haben einen Drei-Stufen-Plan, mit dem wir unsere Leute wieder eingliedern möchten.

  1. Arbeiten im Verein, für unsere IT Projekte, um die Fähigkeiten des Arbeiters mal kennen zu lernen.
  2. Ausmietung an Firmen. Die generierten Gelder fliessen in eine Aus- oder Weiterbildung des Betroffenen.
  3. Übergabe an eine Firma oder in Spezialfällen an eine noch zu gründende Firma „Special Division IT Vefko“ wo dann hoch spezialisierte Fachkräfte ausgemietet werden.

Doch jeder Plan braucht Vorreiter und „Motivieren durch voraus gehen“ ist eines meiner wichtigsten Lebensmotos. Ich lebte das auch schon im Sport und will das auch hier wieder leben. Deshalb gehe ich auch selbst den Weg, und drücke noch mal die Schulbank.

Und wenn mich jetzt einige fragen, ob ich da mit der Schweizer Invalidenversicherung (IV) zusammenarbeite, dann ist die Antwort NEIN. Die IV hat bei mir längst jegliches Vertrauen verspielt und für innovative Projekte ist die IV eh resistent. Das einzige was die stellen sind tausende von Bedingungen, und darauf kann ich liebend gerne verzichten.

Genau deshalb hat es auch so lange gedauert, machen wollte ich das schon lange, doch erst jetzt haben wir die Rahmenbedingungen geschaffen, die das auch ermöglichen. Nämlich die Gegenfinanzierung über einen Verein laufen zu lassen.

Und ja, ich werde mich an Firmen über den Verein ausmieten. Wer meine Fähigkeiten kennt, und mich gerne mieten möchten nimmt mit mir Kontakt auf raphael@vefko.ch.

Sport of Hope – Gutes Resultat nach Training

Letzten Freitag ist mir das gelungen, was eigentlich Ziel des Trainings sein sollte. Nach dem Training lief ich sicherer als vor dem Training.

Am Freitag ging nach Zürich ins Training. Eigentlich ein ganz normales Koordinationstraining. Wieder mal den üblichen Versuch, die neuen Muskel anzusteuern ohne das Bewegungsmuster ganz aus der Bahn zu werfen.

Schon beim Hinweg war es nicht schlecht, nicht perfekt aber wesentlich besser als sonst. Im Training versuchte ich dann erst mal, den rechten Kniebeuger rein mit Forced Use anzusprechen. Das klappte nicht. Dann Machte ich Kraftkoordination. Das ist eine Mischung aus Kraft- und Koordinationsübungen. Mir scheint, dass unter Belastung das Neurofeedback oft grösser ist. Deswegen kombiniere ich Koordinationsübungen gerne mal mit Kraftübungen.

Und siehe da, die Ansteuerung funktionierte. Die Koordination war sogar so gut, dass sie für das gewöhnliche Laufen reichte, Toll dieses Gefühl. Der Rückweg ging dann wesentlich besser als sonst. Wenn es so weiter geht, kann ich ja vielleicht bald mit joggen über kurze Distanz anfangen,

Ja, das wollte ich Euch nur schnell mitteilen. Ich bin gerade am Umbau meines Computer Setups und muss jetzt die Ganze Infrastruktur wieder verkabeln. Darüber kommt dann morgen ein Blog.

Sport of Hope – Langsam geht’s bergauf

Was macht eigentlich mein Training, werden sich einige fragen. Kurz gesagt, es geht langsam Bergauf. Das Laufen im Alltag geht besser, und hingefallen bin ich jetzt länger nicht mehr. Doch manchmal drückt die Fehlkoordination noch durch. Mein Individualtrainer hatte schon recht damit, dass es da eine grosse psychologische Komponente gibt. Insbesondere im Winter als es eisig war, fehlte mir schlicht das Vertrauen in meinen Körper. Das bin ich jetzt wieder am Aufbauen.

Doch nur weil es im Alltag besser läuft, heisst es noch nicht, dass ich meinem Ziel näher komme. Falle ich nicht einfach wieder in die alte Gangart zurück?. Ich denke nicht. Denn es fühlt sich immer noch sehr ungewohnt an. Die Lösungsimpulse des Rechten Kniebeugers der spastisch ist, werden schneller. Immer wieder fühle ich auch Einsatzversuche dieses Muskels. Meistens ist allerdings der Anspannungsimpuls zu langsam um eine sinnvolle Wirkung zu erzielen. Die ganze Sache ist für mich also noch nicht Nutzbringend, aber die Bemühungen sind da.

Gesprintet bin ich noch gar nicht. Ich denke, dieser Bewegungsablauf ist noch zu anspruchsvoll. Aber vielleicht täusche ich mich auch. Auch hier spielt wieder die psychologische Komponente mit. Frei nach dem Motto „Wenn es doch schon mit langsamen Bewegungen nicht klappt, wie soll es dann mit schnellen klappen?“ Irgendwie ist da der Sturz bereits vorprogrammiert. Stürzen ist ja nicht schlimm, ich kann mich auffangen. Aber wenn es mehrfach passiert, nervt es dann eben schon. Denn ein paar Spuren hinterlassen dann mehrere Stürze im Sprint auch bei mir 😉

Es ist das erste mal, dass ich nicht mehr 100% meinen Bewegungsabläufen traue. Über zwanzig Jahre konnte ich mich 100 Prozent auf meinen Körper verlassen. Das Lustige an der Sache. mich stört das Misstrauen nicht, denn ich fühle Veränderungen, auch wenn die offenbar noch nicht sichtbar sind. Es geht aktuell wieder bergauf. Die Saison hat noch nicht mal begonnen, und diese Saison wird lang, Denn die wichtigen Wettkämpfe sind alle relativ spät. So bleibt auch mir viel Zeit um erst mal wieder sprintfähig zu werden, mich dann an die Bestzeit der letzten Saison heranzutasten, und dann die PB in Angriff zu nehmen.

Stützradkrimi – Behindertensport Lager

Die Sommerferien kamen näher, und natürlich diskutierten wir auch auf dem Basketballplatz, was wir dann in den Ferien machen. Klar, wir spielen Basketball, wer hätte das gedacht! „Raphi, kommst du auch mit ins Tenero Lager?“, fragte mich einer der Jungs. „Das ist ein Sportlager, voll cool.“ Dummerweise hatte ich mich bereits für ein Behindertensportlager angemeldet, das in der selben Woche stattfand. Wir waren also alle in den Sportlagern.

Ich liebte Lager, keine Ahnung wieso, ich liebte es einfach. So Reiste ich mit meinen Eltern voller Erwartungen in den Twannberg. Das ist ein Feriendorf für Behinderte Menschen im Schweizer Jura. Ich war mit Unihockeystock und Rollstuhl dabei. Den Rollstuhl hatte ich vor allem für den Fall einer Verletzung dabei… Falls laufen nicht mehr gehen sollte, kann ich immer noch im Rollstuhl weitermachen 😉

Die Lagerleiterin, Nelly Lippuner begrüsste mich mit den Worten: „Wow, hast du dein Unihockeystock mitgebracht, den wirst du hier brauchen!“ Da war für mich die Woche schon gerettet. Meine Eltern verabschiedeten sich, und die Lagerteilnehmer lernten einander kennen. Es wurde auch Sport gemacht, damit die Leiter die Gruppen einteilen konnten. Es wurde in drei Gruppen unterteilt. Die Gruppe 3 waren vorwiegend Schwerst- Mehrfachbehinderte. Die machten Spiele und Übungen im Aufenthaltsraum. Die Gruppe zwei war schon eine Gruppe die ordentliches Sportprogramm zu bewältigen hatten, allerdings eher auf spielerische Art und Weise. Die Gruppe eins war die Drill Gruppe, und das wurde auch so kommuniziert. Da fand richtiges Training und nicht einfach nur Fun statt.

Am nächsten Morgen Gruppeneinteilung. Ich habe es in die Gruppe 1 geschafft. Ich freute mich riesig darüber, denn für mich war das eine Leistungsbestätigung. Da die Halle und der Aufenthaltsraum schon besetzt waren, blieb uns noch die Outdoor Anlage. Ein Hardplatz, eine Spielwiese und eine Asphaltierte 80m Bahn. Und die Warnungen, dass dies die „Foltergruppe“ ist, waren nicht umsonst. Behindertenbonus konnte man sich in dem Lager sowieso eher abschminken. Geklöne wurde meist mit einem Spruch wie: „Hey hab dich jetzt nicht so“ von den Trainern quittiert. Es herrschte Leistungssportmässige Disziplin auf dem Feld und wir wurden rumgescheucht.

Ich kann mich nur noch an eine Szene erinnern, da waren wir alle schon relativ kaputt. Die Sonne brennte von oben und der Heisse Asphalt von unten. Da meinte der Trainer plötzlich. „Leute, alle auf die Linie, ihr wisst was zu tun ist.“ Wir schauten uns alle fragend an, Linienläufe? Jetzt? Will der uns umbringen?! „So kommt Leute, es wird nicht einfacher, wenn ihr es hinauszögert!“ meinte der Coach und klatschte dabei in die Hände um uns zu motivieren. Alle machten diesen Linienlauf, auch wenn wir schon auf dem Zahnfleisch liefen.

Wir gingen jeden Abend komplett ausgepowert ins Bett. Und wie geil das ist, verstehen nur Sportler. Ich liebte es, an meine Grenzen und vielleicht auch mal darüber hinaus zu gehen. Und in einer motivierten Gruppe geht man immer noch ein gutes Stück mehr an die Grenze als alleine. Und genau das machte das Lager aus.

Es gab aber noch eine ganz andere Botschaft die ich aus dem Lager mit nach Hause nahm. Bis zu dem Zeitpunkt machte ich vor allem Sport mit Nichtbehinderten oder alleine. Mit meinen eigenen Leistungen war ich sowieso selten zufrieden, und im Vergleich zu meinen nichtbehinderten Freunden schloss ich immer schlechter ab. Natürlich wusste ich, dass ich das nicht direkt vergleichen darf. Aber wenn man nie einen anderen Vergleich hat, wird das Bild der eigenen Leistung immer verzerrter. Die Woche im Behindertensport Lager ging zwar viel zu schnell vorbei, zeigte mir aber, dass ich unter Behinderten im Ballsportbereich durchaus vorne mithalten kann.

Dies tat mir unglaublich gut, denn ich wusste, dass die unzähligen Stunden auf dem Sportfeld nicht vergebens waren und das ich unbedingt weiter machen muss.