Schlagwort-Archive: Behindertensport

Sport of Hope – Wie ich es aushalte, als Behinderter unter Nichtbehinderten zu trainieren

Das ist eine Frage die immer wieder an mich gestellt wird. Denn schliesslich bin ich da immer der letzte. Das war tatsächlich nicht immer einfach und ich bin damit auch nicht immer gleich umgegangen.

Als Kind hatte ich tatsächlich sehr Mühe damit. Ich wollte eigentlich mithalten können, doch so sehr ich mich auch anstrengte, es reichte nie ganz, das war extrem frustrierend. Mit zunehmendem Alter ging die Schere zu der Nichtbehinderten Spitze natürlich immer mehr auf. Aber lange nicht alle Nichtbehinderten werden Spitzensportler. In der Pubertät scheidet sich der Weizen vom Spreu. Einige finden Sport doch nicht ganz so wichtig, andere sind schlicht zu faul für das harte Training, und wieder andere kriegen Verletzungsprobleme und geben auf.

Ich hingegen zog eiskalt mit sechs Trainings die Woche durch, und so holte ich viele Leute ein, gegen die ich früher keine Chance gehabt hätte. Einfach weil ich bessere Technik, Taktik und auch konditionell um Welten überlegen war. Das machte die Behinderung in vielen Fällen sogar wett. So kam es immer wieder vor, dass Nichtbehinderte mich nur noch von hinten sahen.

Ich muss sagen, es machte mir schon Spass, wenn ich in einer Gruppe Unihockey spielte. Ein Gegenspieler der mich kannte warnte seine Gruppe ausdrücklich von mir. „Lasst Raphi auf keinen Fall schiessen, ok? auf gar keinen fall!!“ Fünf Minuten Später haue ich einen Direktschuss voll in die Hohe Ecke und alle fragen sich wie das passieren konnte. Ich schmunzelte dann jeweils nur und dachte für mich… geht mal noch etwas Unihockey üben Jungs 😉

Und es ist unglaublich schön, wenn du das erste mal von einem Junior gesagt bekommst: „Du bist mein Vorbild.“ Oder wenn sie dich nach einem Autogramm fragen oder auch nur ein paar Tipps von dir hören wollen.

Aber ich glaube, das was mich am meisten antreibt ist der Respekt und die Vorbildfunktion für andere Spitzensportler. Vermutlich weil diese Bewunderung extrem ehrlich ist. Als Kind hätte ich mir nie geträumt, dass ich als behinderter mal ein Vorbild für Nichtbehinderte Spitzensportler sein kann. Dies macht das ständige letzte werden mehr als wett.

Einige reagieren auch ziemlich allergisch wenn ich mich heute nicht mehr wirklich zu den Sportlern zähle. „Was ist dein Ziel, normal gehen oder?!? und das nennst du kein Sport!!! Komm geh nach Hause!!!“ Und wieder andere warten nur drauf, bis ich an einem Wettkampf wieder mal richtig übel zuschlage. Ich habs nicht mehr ganz so eilig wie auch schon. Aber Sporttot bin ich noch nicht!

Ich bin zwar momentan nicht Wettkampfbereit… habe mir aber letzthin die Leichtathletik Lizenz für dieses Jahr gelöst. Nur für den Fall, dass mich irgendwann was juckt. Nur so als leise Warnung!!!

Stützradkrimi – Behindertensport Lager

Die Sommerferien kamen näher, und natürlich diskutierten wir auch auf dem Basketballplatz, was wir dann in den Ferien machen. Klar, wir spielen Basketball, wer hätte das gedacht! „Raphi, kommst du auch mit ins Tenero Lager?“, fragte mich einer der Jungs. „Das ist ein Sportlager, voll cool.“ Dummerweise hatte ich mich bereits für ein Behindertensportlager angemeldet, das in der selben Woche stattfand. Wir waren also alle in den Sportlagern.

Ich liebte Lager, keine Ahnung wieso, ich liebte es einfach. So Reiste ich mit meinen Eltern voller Erwartungen in den Twannberg. Das ist ein Feriendorf für Behinderte Menschen im Schweizer Jura. Ich war mit Unihockeystock und Rollstuhl dabei. Den Rollstuhl hatte ich vor allem für den Fall einer Verletzung dabei… Falls laufen nicht mehr gehen sollte, kann ich immer noch im Rollstuhl weitermachen 😉

Die Lagerleiterin, Nelly Lippuner begrüsste mich mit den Worten: „Wow, hast du dein Unihockeystock mitgebracht, den wirst du hier brauchen!“ Da war für mich die Woche schon gerettet. Meine Eltern verabschiedeten sich, und die Lagerteilnehmer lernten einander kennen. Es wurde auch Sport gemacht, damit die Leiter die Gruppen einteilen konnten. Es wurde in drei Gruppen unterteilt. Die Gruppe 3 waren vorwiegend Schwerst- Mehrfachbehinderte. Die machten Spiele und Übungen im Aufenthaltsraum. Die Gruppe zwei war schon eine Gruppe die ordentliches Sportprogramm zu bewältigen hatten, allerdings eher auf spielerische Art und Weise. Die Gruppe eins war die Drill Gruppe, und das wurde auch so kommuniziert. Da fand richtiges Training und nicht einfach nur Fun statt.

Am nächsten Morgen Gruppeneinteilung. Ich habe es in die Gruppe 1 geschafft. Ich freute mich riesig darüber, denn für mich war das eine Leistungsbestätigung. Da die Halle und der Aufenthaltsraum schon besetzt waren, blieb uns noch die Outdoor Anlage. Ein Hardplatz, eine Spielwiese und eine Asphaltierte 80m Bahn. Und die Warnungen, dass dies die „Foltergruppe“ ist, waren nicht umsonst. Behindertenbonus konnte man sich in dem Lager sowieso eher abschminken. Geklöne wurde meist mit einem Spruch wie: „Hey hab dich jetzt nicht so“ von den Trainern quittiert. Es herrschte Leistungssportmässige Disziplin auf dem Feld und wir wurden rumgescheucht.

Ich kann mich nur noch an eine Szene erinnern, da waren wir alle schon relativ kaputt. Die Sonne brennte von oben und der Heisse Asphalt von unten. Da meinte der Trainer plötzlich. „Leute, alle auf die Linie, ihr wisst was zu tun ist.“ Wir schauten uns alle fragend an, Linienläufe? Jetzt? Will der uns umbringen?! „So kommt Leute, es wird nicht einfacher, wenn ihr es hinauszögert!“ meinte der Coach und klatschte dabei in die Hände um uns zu motivieren. Alle machten diesen Linienlauf, auch wenn wir schon auf dem Zahnfleisch liefen.

Wir gingen jeden Abend komplett ausgepowert ins Bett. Und wie geil das ist, verstehen nur Sportler. Ich liebte es, an meine Grenzen und vielleicht auch mal darüber hinaus zu gehen. Und in einer motivierten Gruppe geht man immer noch ein gutes Stück mehr an die Grenze als alleine. Und genau das machte das Lager aus.

Es gab aber noch eine ganz andere Botschaft die ich aus dem Lager mit nach Hause nahm. Bis zu dem Zeitpunkt machte ich vor allem Sport mit Nichtbehinderten oder alleine. Mit meinen eigenen Leistungen war ich sowieso selten zufrieden, und im Vergleich zu meinen nichtbehinderten Freunden schloss ich immer schlechter ab. Natürlich wusste ich, dass ich das nicht direkt vergleichen darf. Aber wenn man nie einen anderen Vergleich hat, wird das Bild der eigenen Leistung immer verzerrter. Die Woche im Behindertensport Lager ging zwar viel zu schnell vorbei, zeigte mir aber, dass ich unter Behinderten im Ballsportbereich durchaus vorne mithalten kann.

Dies tat mir unglaublich gut, denn ich wusste, dass die unzähligen Stunden auf dem Sportfeld nicht vergebens waren und das ich unbedingt weiter machen muss.

Ohne Erfolg – Selber schuld!

Swiss Sport

Zum ersten mal in einer Live Übertragung eines Sport Senders 😉

Eigentlich wollte ich diese Woche mein Saisonziel erreichen. Den 100m unter 30s. Doch die tiefste Zeit lag bei 33 Sekunden. Was ist da falsch gelaufen?

Am Dienstag war ich in Riehen (BL). Der Wettkampf stand schon von Beginn an nicht unter einem guten Stern. In der Nacht vom Montag auf Dienstag hatte ich mit Magen Darm Problemen zu kämpfen, und am Dienstag Abend war ich noch nicht wieder voll auf dem Damm. Es war 35°C und ich musste aufpassen, nicht zu dehydrieren (Was auch mit den Magen Darm Problemen zusammen hing) Die 33 Sekunden die ich an diesem Meeting lief, waren noch entschuldbar.

Am Samstag stand dann Rapperswil-Jona auf dem Programm. Es war das erste Schlechtwetter Meeting in diesem Jahr. Man ist sich nässe und Kälte gar nicht mehr gewohnt. Irgendwie schaffte ich es da den lauf zu verwechseln, und ich wärmte mich eine Stunde zu früh auf. Beim Zweiten Lauf war ich für meine Verhältnisse auch viel zu früh dran. Normalerweise wärme ich nur etwa so 15 Minuten auf. Es hatte auch im Startbereich nirgends ein Plätzchen, wo man sich mal hinsetzen konnte, und der Boden war nass. Die ständige warmhalterei ist absolut nichts für mich, und so war ich beim Start schon weit über der Höchstform hinaus. Die 34.s waren für die Umstände kein schlechtes Resultat. Allerdings hätte der Lauf besser sein können.

Der Hauptfehler ist allerdings nicht am Wettkampf selbst zu suchen, sondern im Training. Denn die 30 Sekunden hätte ich in Jona vermutlich auch unter besten Bedingungen nicht unterboten. Ich habe ja im Frühling sehr ausgiebig Koordinationstraining gemacht, und konnte in Thun die ersten Früchte davon ernten. Genau dieses Training habe ich in letzter Zeit vernachlässigt, und das funktioniert einfach nicht. Wenn der Körper nicht ständig Koordinationsimpulse bekommt, fällt er in die alten Muster zurück. Ich wollte mir nur eine kleine Pause gönnen, doch das war keine gute Idee. Im Kampf gegen die Behinderung sind Pausen offenbar nicht vorgesehen!

Janu, ich habe gelernt, und werde nun erst mal trainieren. Es wird bestimmt noch mal ein Wettkampf geben, denn das Saisonziel ist noch nicht erfüllt. Zur Diskussion steht das Bettagsmeeting in Zug und natürlich das „Heimspiel“ in Chur am 30. September. Also Leute nicht vergessen, die Arbeit eines Sportlers ist nicht am Wettkampf, sondern in den Trainings. Die Trainings entscheiden zu einem grossen Teil über Erfolg oder Misserfolg.

Selber schuld! hätte ich gut trainiert, wäre die 30 letzte Woche gefallen, so darf ich nun in die Verlängerung.

Blog 16 – Die verrückten Sachen an einem Wettkampf

Für mich hat schon wieder der ganz normale Alltag mit der Training angefangen. Doch ich möchte mal noch über die verrückten Sachen an einem Wettkampf sprechen. Sachen die nur ich erlebe.

Von den sportlichen Resultaten her bin ich ja eigentlich ein Noname. Ich gewann nie irgend einen grösseren Wettkampf, und nahm auch nie an irgend einem internationalen Rennen teil. Zofingen ist ein grösseres Meeting. Es dürften einige 100 Athleten und Athletinnen am Start gewesen sein. Darunter auch einige vom Ausland. Eigentlich sollte ich da unter gehen, doch das ist nicht der Fall.

Die Sache beginnt schon beim Anreisen. Vor dem Wettkampf möchte ich meine Ruhe haben, um mich zu sammeln. Jetzt nur nicht mit Leuten ins Gespräch kommen. Wenn ich sage, dass ich an einen Wettkampf gehe, werde ich ausgefragt. Am Stadion angekommen, begrüssen mich auch schon die ersten Leute. Nicht das ich ein Star wäre, aber wer mich ein mal rennen sehen hat, kennt mich. Auf zur Anmeldung. denn ich muss mich noch nachmelden. In der Regel muss man da die Lizenz zeigen. mich fragte niemand danach. Zettel ausfüllen, Startnummer abholen, gut ist.

Auf dem Weg zum Einwärmen immer wieder Leute die mich begrüssen. Dann Serieneinteilung. Es gibt zwölf Serien – Ein riesen Feld für den 100m Start. Ich bin Serie zwölf, wo ich auch hingehöre, denn die langsamsten sind in der Regel immer am Schluss. Das ist allerdings nicht immer der Fall. Auch schon bin ich in Serie eins gestartet.

Wir haben jede menge Verspätung. und das mag ich gar nicht. Denn ich kann mich nicht so lange warm halten. Also kühlte ich noch mal runter, und versuchte am Schluss wieder aufzuheizen. Das gelang mir nicht wirklich. Ich fühle mich nicht Ready für den Start. Aber wenn ich etwas nicht darf, ist es aufgeben, also an den Start.

Schlimmster Start aller Zeiten. Ich habe ungefähr zwei Sekunden verloren. Jeder andere hätte da aufgegeben… ich ziehe trotzdem durch. Nun wird es laut… sehr laut. Das ganze Publikum klatscht im Takt. Der Fotograf hat mich fest im Visier. und da ist dann auch die Ziellinie. Meine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Dennoch klatsche ich mit den anderen meiner Serie ab.

Ich will wieder zurück laufen, um meinen Rucksack zu holen, da werde ich von einem Mann angesprochen. Hallo, ich bin der Nationaltrainer PluSport Behindertensport Schweiz… Er hätte mich für einen Kaderzusammenzug einladen wollen. Da ich aber keine Ambitionen mehr im Behindertensport habe… hat sich das wohl erübrigt 😉

Weiter geht es mit einigen bezahlten Getränke und natürlich auch etlichen Diskussionen. Im Zug auf dem Nachhauseweg, stellte ich fest, dass ich meine Startnummer noch nicht abgenommen habe. Schnell weg damit, sonst muss ich im Zug auch noch Fragen beantworten.

Ach ja, für die Hallen Master Schweizermeisterschaften in Magglingen wurde ich auch noch eingeladen. Diese findet aber erst im 2019 statt. Manchmal frage ich mich, ob all diese Aufmerksamkeit wirklich gerechtfertigt ist. Das würde sich bestimmt ändern, wenn mehr Behinderten an Swiss Athletics Wettkämpfen teilnehmen würden. Aber wenn man alleine ist, stielt man natürlich die Show.