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So viele Geschichten…

Jetzt während der Vorbereitung auf die Tour, denke ich manchmal zurück. An die vielen Geschichten die ich erleben durfte. Nur noch ein bisschen mehr als einen Monat, und ich erlebe schon wieder Neue. Eigentlich schade, denn damit verstauben die Alten.

Hätte man mir mit 12 Jahren gesagt, dass das Leben mit einer Behinderung so aufregend sein kann, hätte ich vermutlich mit dem Zeigefinger an die Stirn getippt. Ich glaube, als normaler Mensch wäre mein Leben einfach nur immer dasselbe.

So erlebe ich immer wieder Neues, aber auch ich muss mich immer wieder aufs Neue auf die Abenteuer einlassen. Etwas vorzuhaben und es zu machen sind nämlich immer noch zwei paar Schuhe. Im Sport bin ich da relativ konsequent – in anderen Belangen nicht so. Warum das so ist, weiss ich auch nicht.

Ja, ich habe tatsächlich einiges veröffentlicht im Internet. Aber es könnte noch viel mehr sein. Es gibt so viele Geschichten, die ich nie aufs Papier gebracht habe. Es gibt Tage an denen denke ich, du solltest unbedingt mehr schreiben. Doch was sollen all die Informationen im endlosen Meer der Daten. Handkehrum können diese Geschichten vielleicht auch jemandem helfen. Aber werden sie dann auch gefunden? Natürlich nicht… wenn sie nicht veröffentlicht sind 😉

Und dann ist da auch noch die Frage nach der Zeit. Soll ich mich tatsächlich mit etwas altem aufhalten? Die Geschichte wird schliesslich JETZT geschrieben. Es würde doch reichen, euch am heutigen Geschehen teilhaben zu lassen. Doch genau damit habe ich ein Problem. Sich mitten in der Schlacht hinzusetzen und einen Bericht zu schreiben ist nicht mein Ding, dann will ich kämpfen!

Genau deswegen gibt es auch keinen Erfahrungsbericht über die letzte Tour… oder meine Erfahrung mit dem Krebs, oder wie ich mit 19 Jahren die Stützräder von meinem Fahrrad abmontierte und ohne davon fuhr. Die Frage ist halt, sind diese Geschichten noch wichtig. Für mich schon, denn sie bringen mir immer dann die Motivation zurück, wenn sie mir ausgeht.

Motivation brauche ich aktuell eigentlich immer mal wieder, selbst wenn es gut läuft. Aufbautraining ist immer hart, auch für mich. Ich habe nun die erste Woche mit sechs mal Training hintereinander relativ gut überstanden. Doch der Regenerationstag ist auch schon vorbei. Und nächste Woche will der Winter noch mal zuschlagen! Ich habe langsam genug von dem.

Ab jetzt beginnt der Sägezahn. Nicht die einzelnen Training sind es, sondern die Summe der Trainings. Mein Trainingsplan ist absolut am limit, aber aktuell bin ich gut drin. Ende Juni will ich auf 80km/Tag sein und das ohne Beschwerden. Dann hätte ich innerhalb eines halben Jahres den Aufbau von 10km mit Beschwerden zu 80km ohne Beschwerden geschafft. Wäre das nicht schon fast ein bisschen Traumszenario? Ja, auf eine Art schon.

Aber Leute, ich träume bereits schon weiter… wovon ist noch streng geheim. Ihr könnt ja mal raten.

Als Behinderter in der grossen weiten Welt

Heute bin ich zu Hause, morgen bei einer Firma etwas mehr als 100km weg. Nächste Woche bin ich zu einer Vereinsgründung eingeladen. übernächste Woche Fliege ich kurz nach Berlin für eine Konferenz und ein Meeting. Dann wieder zwei Wochen später bin ich kurz an einer Messe als Besucher in Luzern und nur ein Tag später in Dornbirn (AT) als Aussteller und Referent an einem Computer Event.

Wenn mich Leute an einem Freitag Abend durch den Zürcher Hauptbahnhof humpeln sehen, denken wohl einige. Ah der geht jetzt gerade von seiner Institution zurück zu seinen Eltern. Als Behinderter hat man immer wieder mit Stigmatisierung zu kämpfen… Eigentlich haben wir das doch irgendwie alle. Als behinderter ist es einfach extremer. Und natürlich kommt es auch sehr auf die Behinderungsart drauf an. Von Querschnittgelähmten weiss man, dass die meisten ein selbständiges Leben führen. Bei ICP – die meisten wissen jetzt vermutlich nicht mal was das ist – ist das eine andere Geschichte. Sprüche wie:

Finden sie alleine zurecht?

oder

Kann ich über die Strasse helfen

Sind da ganz normal. Manchmal wollten mich Leute auch schon zurück zum nächst gelegenen Behinderten Heim bringen. „Nein, ich bin nicht ausgebüxt, ich suche grade die Firma XY, ich hab da einen Termin“, sage ich dann oft. Die Gesichter sollte man jeweils Fotografieren. 😉 Vor Jahren, als ich mal mit meiner (Nichtbehinderten) Sportgruppe in einen Trainingscamp nach Grand Canaria flog, wurde ich sogar unfreiwillig separiert. Es war gleichzeitig eine Feriengruppe mit Behinderten im Flugzeug. Diese wurden mit einem Spezialfahrzeug abgeholt. Die Flugbegleiterin dachte wohl, dass ich zu denen gehöre und liess mich nicht vorne aussteigen. Ich kam dann an einem anderen Ort im Terminal an, und musste erst meine Trainingsgruppe wieder finden.

Aber es gibt auch die angenehmen Seiten. Am Flughafen muss ich bei der Sicherheitskontrolle nie anstehen, ich werde immer bevorzugt behandelt. Worüber ich auch froh bin, denn in einer Kolonne anzustehen braucht für mich mehr Energie als schnell zu gehen. Wenn ich mal nicht weiss, wo es hingeht, kriege ich immer eine Antwort und zwar relativ schnell. Das heisst allerdings nicht, dass ich mich völlig unvorbereitet in die Reiseabenteuer stürze.

Ein weiteres Phänomen ist, dass viele Menschen mehr wissen wollen über einem. Sei es der Taxifahrer der einem vom Flughafen zum Hotel fährt. Sei es der Barkeeper, bei dem man am Abend noch was trinkt. Sei es das Pärchen das neben einem im Zug sitzt. Alle sind neugierig zu wissen, wer da gerade neben ihnen sitzt.

Für viele Menschen ist es halt immer noch speziell, ein Menschen mit CP in „Freier Wildbahn“ zu sehen. Und dass diese Person dann auch noch in der IT Welt international mitmischt, passt so gar nicht ins Bild. Aber das stört mich überhaupt nicht. Irgendwann wird sich die Welt auch an den behinderten Programmierer gewöhnen 😉

Wenn es Leute etwas zu gut meinen

Behinderte sind heute längst keine Seltenheit mehr. Dass die meisten Leute mitdenken und einem zum Beispiel in einem vollen Tram einen Sitzplatz anbieten ist schön. Doch manchmal denken die Leute auch etwas zu stark mit und dann entstehen eben solche Situationen.

Als ich das erst Training beim LAC TV Unterstrass hatte, suchte ich in Zürich die Sportanlage. Auf der Suche begegnete ich einer älteren Frau die gerade aus der Wohnung kam. Ich fragte, ob sie wisse, wo die Sportanlage sei. Die ältere Dame: „Da sind sie falsch, zum Behindertenheim gehts in die andere Richtung.“ Ich: „für die Sportanlage bin ich aber richtig, oder.“ Sie: „Ja schon… aber…“ „Danke, sie haben mir sehr geholfen“, sagte ich, und zottete davon. Kurze Zeit darauf fand ich die gesuchte Anlage.

Als wir mit dem TV Unterstrass nach Grand Canaria ins Trainingslager gingen, war im selben Flieger eine Reisegruppe Behinderter Menschen. Die machten dort ein Ferienlager oder so. Als ich aussteigen wollte (ganz normal die Treppe herunter) stand plötzlich die Flight Atended vor mir und meinte, „Sie müssen hinten raus.“ Etwas perplex drehte ich um, und ging nach hinten. Da war ein Spezialtransporter für Rollstühle, und eben diese Reisegruppe. Erst dann wurde mir klar, dass die frau mich fälschlicherweise der dieser Reisegruppe zugeordnet hatte. Ich musste anschliessend schauen, dass ich meine Gruppe im Flughafen wieder fand. Hat dann aber alles geklappt.

Auf meiner Tour letztes Jahr wollte ich von Bülach möglichst direkt nach Winterthur. Ich fragte eine Passantin, wo man da durch soll. Die Passantin: „Der direkteste Weg… Nein, der ist zu steil für sie.“ Ich: „Das braucht aber viel, sagen sie mir doch bitte den steilen Weg, ich liebe Steigungen.“ Die Ach so starke Steigung bewältigte ich bis auf die letzten 200m im zweiten Gang und oben hätte es sogar ein offenes Restaurant gegeben. Doch an diesem Tag fuhr ich immer dem Regen davon, und so gab es keinen stop.

Es gäbe durchaus noch mehr solche Geschichten. Aber das sind so die herausragensten. Teilt es, sagt es weiter wenn Euch dieser Beitrag gefällt. Ich freue mich über alle die hier lesen.

Warum habe ich eine Behinderung?

Nein, ich meine damit nicht den medizinischen Grund. Der ist bei mir relativ klar. Es geht hier um die philosophische Frage. Ist das Leben nicht verdammt unfair. Warum muss es Menschen geben die offensichtlich benachteiligt sind? und warum gerade ich? Ich glaube jeder Behinderte kennt diese Frage?

Auch ich stellte sie mir – während meiner Pubertät. Auch ich fand es manchmal unfair, habe geheult deswegen. Mit dieser Frage verhält es sich ähnlich wie mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. Man kann keine Antwort finden.

Ein bisschen später las ich ein Buch zum Thema Erfolg. Der Author schrieb im halben Buch darüber, wie wichtig es ist, sich von anderen abzuheben, nicht mit der Einheitssuppe zu schwimmen. „Hä“, dachte ich, „ich hatte gar nie die Chance, Teil des Einheitsbrei zu sein“ Etwas vom schwierigsten ist, als behinderter normal zu sein. Entweder man fällt der Gesellschaft als unterstützungsbedürftige Person auf, oder aber man wird vom Umfeld bewundert.

Die Behinderung hat mich dazu gebracht, mich mehr mit dem Leben auseinander zu setzen. Früh habe ich gelernt, dass nichts auf dieser Welt selbstverständlich ist. Früh musste ich kämpfen lernen. Ich bin an vielen Orten vorbeigekommen, an denen ich ohne Behinderung nie vorbeigekommen wäre. Ich hätte wohl auch viele Erfolge nicht gefeiert. Ein „Einheitssuppenmensch“ macht eine Weltumrundung mit dem Flugzeug. Er hat alles von oben gesehen aber war nie wirklich vor Ort. Klar, er könnte auch mit dem Fahrrad fahren, aber das ist ihm zu anstrengend. Wenn möglich wird sogar ein Non stop Flug von Geburt bis Tod gebucht.

Ich werde zwar vielleicht nicht die Welt umrunden, dafür habe ich die paar bereisten Städte hautnah miterlebt und auch mitgeprägt. Für mich ist die Behinderung zu einem schönen Teil verantwortlich, dass ich heute mein Leben lebe. Hätte ich sie nicht, wäre ich wahrscheinlich zu bequem dazu 😉

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