Stützradkrimi – Der Sport lebt weiter

Bald war ich auch über die Enttäuschung des Schulwechsels hinweg. Ich war kein Kind der Traurigkeit, und so versuchte ich das Beste aus der Situation zu machen. Unihockey konnte ich momentan nicht spielen. Denn die Stöcke gehörten dem Schulhaus. An der neuen Schule waren die Pausen ganz anders. Keine grosse Action. Alle standen herum, und diskutierten miteinander. Es wurde auch kein Fussball gespielt. Ich wollte das ändern, und ging bis vor die Schulleitung um sie von meiner Unihockey Idee zu überzeugen. Ich meine, es brauchte ja nur ein paar Schläger, Ballen und zwei Tore. Die Schulleitung wies meine Idee ab, mit der Begründung: „Das wäre für Seebehinderte und Blinde Kinder zu gefährlich.“

In der Turnstunde genau die selbe Antwort. Ja, da gab es so was ähnliches wie Unihockey Stöcke, aber die waren gut versteckt im Lehrerzimmer. In der vierten Klasse hatte ich eine Sportlehrerin älteren Semesters, die ausserhalb von Leichtathletik und Geräteturnen wenig kannte. Es war schon eine Ausnahme, wenn wir mal ein Ballspiel machen konnten. Und eigentlich kannte sie nur ein Ballspiel. Ein Fussball, wo die Gruppen getrennt waren, und die ganze Wand bis zu einer gewissen Höhe als Tor galt. Die Mannschaften durften die Mittellinie jeweils nicht überschreiten. Gespielt wurde mit einem relativ grossen und weichen Ball. Das war aber schon ein Highlight. Die Turnstunden ohne grosse Action waren nicht so ein Ding für Jungs, aber besser als Schule war es allemal.

Was Sport anbelangte war ich schon damals sehr hart im nehmen. Mich konnte man rumscheuchen bis ich auf allen vieren kroch. Aufgeben gehörte schon damals nicht zu meinem Wortschatz. Im Sommer mussten wir manchmal ein bisschen längere Strecken laufen. „So, jetzt machen wir noch eine grosse runde“, meinte dann jeweils die Lehrerin. Und schon ging das Geklöne los. Auch wir waren phantasievoll im finden von Ausreden. Ich hätte es leicht gehabt. denn ich hätte Aussetzen können. Aber mein Kopf war immer dagegen, solche Sonderbestimmungen anzunehmen.

Gejoggt bin ich auch in meiner Freizeit. Ich hatte eine kleine Runde, vielleicht 700m die ich selbst machen durfte. Auf die Finnenbahn im Wald begleitete mich jeweils meine Mutter. Mit zügig marschieren konnte sie mir folgen. 1km Joggen schaffte ich damals schon.

Der Schulsporttag stand vor der Tür, und wir konnten auswählen welche Disziplinen wir machen wollten. Zur Auswahl stand auch der 1000m. Die meisten meiner Klasse machten einen grossen Bogen um diese harte Disziplin. Ich musste mich aber unbedingt anmelden.

Am Sporttag hatten wir schönes Wetter und dem entsprechend heiss. Wir machten alle unsere Disziplinen. Ich war relativ schnell durch und so war noch etwas Zeit zum Ausruhen vor dem 1000er. Plötzlich kam eine Lehrerin zu mir.
„Bist du müde Raphael?“
„Nein, ich ruhe mich nur noch etwas aus vor dem 1000 Meter“, antwortete ich.
„Du machst den 100 Meter? Bist du dir sicher?“ fragte die Lehrerin ungläubig.
„Klar bin ich mir sicher… ich bin im Training schon paar mal 1000 Meter gelaufen“, war meine Antwort.

Dann ging es an den Start. Es war Mittag und die Sonne brannte. Ein bisschen nervös war ich schon. Jetzt einfach mein Tempo laufen und am Anfang nicht zu schnell rein. Nachdem mir noch etwa Fünf mal gesagt wurde, dass ich nicht laufen muss, wenn ich nicht will, standen wir am Start. Jetzt war ich heiss. 2,5 Runden auf der 400m Bahn lagen vor mir. Startkommando und los gings. Ich war natürlich sofort der letzte, aber das spielte mir keine Rolle. Ich wurde überrundet, auch das war mir egal. Ich lief eisern mein Tempo. Für mein Alter, damals war ich bald 11 Jahre alt, war ich extrem gut im einteilen. Als ich auf die Zielgerade kam, wurde ich lautstark angefeuert. Zeit das letzte aus meinem Körper herauszuholen. Ich setzte zum Schlusssprint an. Völlig erschöpft kam ich über die Ziellinie und da kamen sie schon alle. „Super Raphael,“ „Gratuliere,“ usw. Ich dachte nur, Gebt mir doch bitte erst ein zwei Minuten.

Ich glaube andere waren mehr stolz auf mich als ich selbst. Ich tat nur, das was ein richtiger Sportler eben zu machen hat, wenn Wettkampf angesagt ist. Nämlich ans Limit gehen. Dieser 1000m war für mich das erste mal, dass ich für meine sportliche Leistung richtig Anerkennung bekam. Dies bleibt jedoch für die kommenden Jahre noch eine seltene Erfahrung.

 

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