Stützradkrimi – Eine Lektion fürs Leben

Wir schreiben das Jahr 1994. In Hünenberg steht eine grossen Gemeindefeier an. Denn die neue Dreifachturnhalle ist fertig. Bei der Eröffnung gab es auch ein Rollstuhlbasketball Spiel dass ich unbedingt sehen wollte. Nach dem Rollstuhlbasketball war dann auch noch ein Spiel des UHC Einhorn Hünenberg. Es war glaub ich ein Schweizer Cup Spiel. Eigentlich wollte ich nur das Rollstuhlbasketball Spiel ansehen. Ich hatte Angst von den Einhörner nicht aufgenommen zu werden.

Ich sprach nach dem Basketball Spiel noch mit ein paar Spielern und dann sah ich plötzlich, dass in der Turnhalle Banden aufgestellt wurden. „Moment, das ist Unihockey!?!“ Ich kannte die Sportart nur als Pausenplatzspiel und war komplett begeistert von der professionellen Ausrüstung die da aufgefahren wurde. Total fasziniert blieb ich in der Halle kleben. Das Umfeld rund um mich herum wechselte, und ich merkte es nicht mal. An diesem Tag merkte ich, hier gehöre ich hin. Ich bin ein Einhorn.

Zwei Wochen später machte mich mein Vater drauf aufmerksam dass er im Veranstaltungskalender der Gemeinde ein weiteres Spiel der Einhörner gesehen habe. „Oh ja, da muss ich hin.“ Nun war alle Angst vom abgestossen werden verschwunden. Schliesslich hat mich das letzte mal auch niemand ausgelacht. Doch es soll noch extremer kommen.

Ich feuerte „meine“ Mannschaft lautstark an. Vermutlich war ich der lauteste in der Halle. Ich war wohl so laut, dass sogar die Spieler auf mich aufmerksam wurden. So viele Zuschauer gab es da auch nicht. Jedenfalls, das Spiel war fertig und ich wollte eigentlich gehen, als plötzlich zwei Spieler vor mir standen. „Danke fürs Anfeuern“, meinte der eine und der andere: „Wie heisst du?“ Schon rein die Frage verwirrte mich, denn normalerweise wollten die Leute immer erst wissen, was ich hatte.
„Ich heisse Raphael, kannst mir auch Raphi sagen.“
„Sehr schön, ich bin Fabian“, meinte der Spieler.
„Ich bin halt ein bisschen Behindert“, sagte ich. Darauf wurde das Gesicht des Spielers ernst und dann sagte er recht energisch: „Hör mir jetzt gut zu, hier in dieser Halle, in diesem Club bist du einfach nur Raphi. Deine Behinderung ist hier scheiss egal und interessiert hier niemanden! Wichtig ist nur, das du zu uns gefunden hast. Herzlich willkommen in der Einhorn Familie.“ Das krasse war, dass das nicht nur blosse Worte waren. Es war wirklich so. Es war das allererste mal, wo meine Behinderung von Menschen einfach ignoriert wurde. Wo sie einfach keine Rolle spielte. Einhorn Hünenberg und ich schmolzen extrem schnell zusammen. Es war genau das was ich brauchte. Ein Ort wo die Behinderung eben nicht zählte.

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